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Grimselpass - Eiserner Löffel

Es ist halb vier in der Nacht und als ich das Bett verlasse, steht vor der Schlafzimmertür bereits Osmo, meine belgische Schäferhündin. Sie streckt sich, gähnt und schaut mich erwartungsvoll an. Sie spürt, dass wir jetzt etwas unternehmen werden. Was genau, weiß sie natürlich nicht, aber das Wichtigste für sie ist, dass sie dabei ist. 

 

Der Rucksack steht gepackt und griffbereit da. Ein kurzer Abstecher ins Bad und wir sitzen im Auto und fahren durch die Dunkelheit los. Das Gute an dieser Uhrzeit: Die Straßen sind alle frei. 6 Uhr 35 erreichen wir den Grimselpass. Es ist noch finster. Ich selbst ziehe eine Stirnlampe auf und schalte die LED's an Osmos Geschirr ein. Los geht's.

 

Unser erstes größeres Ziel ist das Sidelhorn auf 2.764m Höhe. Geplant ist die Tour im Uhrzeigersinn zu gehen mit einem Abstecher zum Jostsee. Die gesamte Strecke ist überwiegend Schwierigkeitsgrad T2. Im südwestlichen Abschnitt ist auch T3 dabei. Und das bedeutet in diesem Fall, dass Kraxeln über riesige Felsblöcke und das noch steil Berg auf. Mit Wandern hat das schon nichts mehr gemein. Die Route lässt sich entschärfen und man kann auch auf T2 bleiben. Das eine oder andere Mal muss ich Osmo auf dem T3-Abschnitt über die Felsen helfen, da diese zu schräg sind, als, dass sie mit ihren Pfoten hier ausreichend Halt finden könnte. Ansonsten klettert sie über alles wesentlich schneller und agiler hinweg, als ich. 

 

Es ist sehr schön mit der aufgehenden Sonne dem Sidelhorn entgegenzugehen. Langsam schiebt sie sich über die Bergkuppen hervor und strahlt in warmen Orange-, Rot- und Gelbtönen. Ein faszinierender Anblick. Dazu die absolute Stille um einen herum. Oben angekommen auf der Sidelhöhe mit 2.764m hat man eine zu allen Richtungen ein unglaubliches Panorama. Vor einem im nordosten der Totesee, im Westen zwei Gletscher und der Tribetenseewli und vieles mehr. 

 

Beim Abstieg Richtung Norden, wähle ich eine T2-Route über die Husegghütte. Ich staune nicht schlecht, wie mir ein älterer Wanderer mit Ende 70 entgegenkommt. Er strahlt und teilt mir mit, sich zu freuen heute nochmal die Gelegenheit zu haben, diese Tour zu unternehmen, ehe der Schnee kommen wird. Genau das verheißt nämlich der Wetterbericht für nächste Woche. 

Unten angekommen am Grimselpass stärken Osmo und ich uns für die nächste Etappe. Das ist auch notwendig, denn die nächste Etappe nach Nordosten vorbei am Hohhoren mit 2.771m beginnt auf einem T2, der im ersten Viertel ungemein steil und anstrengend ist. Allgemein bieten die T2-Wege, die ich vorfinde, kaum Abschnitte, die angenehm eben geschottert sind. Die gesamten Wege sind durchzogen mit Steinwerk, welches festverankert im Boden ist und immer wieder Felsvorsprünge, die man übersteigen muss. Die Füße und Beine bekommen keine Entspannung und müssen fortwährend aufgleichen und sich dem Untergrund anpassen. Das macht es auf Dauer zunehmend anstrengender. 

 

Oben auf dem Plateau beim Remersee machen wir Pause und genießen den Ausblick auf den Furkapass. Welch eine Aussicht!

 

Wer diese Stelle nun erreicht hat, kann sich überlegen, ob es für heute nicht reicht... denn der Weg von gut 7,8km muss ja immer noch zurückgegangen werden und die zwar streckenmäßig kleine Runde, die vor uns liegt, ist äusserst anstrengend. Sie wird auf der Karte als T2 angegeben. Das war sie vielleicht einmal, ist es heute aber definitiv nicht mehr. Das ist eine satte T3. Im ersten Viertel muss wieder über ein großes Geröllfeld mit Felsblöcken gekraxelt werden, wo man sich den Weg zusammenreimen kann, wie man zum nächsten aufgemalten Wegzeichen kommt. Runter zum Rhonegletscher und an diesem entlang, lasse ich ein T2 durchgehen. Super ist hier die Aussicht auf diesen und den Furkapass und wunderbar, so nah an diesen heranzukommen und auf einem leicht erhöhten Weg entlangzulaufen. 

 

Nun kommt der Aufstieg. Ebenfalls als T2 angegeben, sehe ich diesen als T3, da dieser extremst steil ist (Steigung bis zu 48%) über einen kleinsten verwinkelten Pfad, der oft sehr schwer erkennbar ist und nur aus einzelnen Vorsprüngen von Grasnarben besteht. Oftmals braucht man hier alle Viere um voran zu kommen. Ich war froh, dass Osmo die Begabung hat, wie eine Ziege klettern zu können. Vielen anderen Hunden würde ich eine solche Strecke nicht zumuten wollen und hätte auch Sorge, sie könnten abstürzen. 

 

Diese letzten Abschnitt bergauf, und damit unser dritter großer Aufstieg heute, empfand ich als sehr anstrengend und musste immer wieder innehalten und Kräfte sammeln. Ich war glücklich wieder oben auf dem Plateau angekommen zu sein. Jetzt galt es noch das Plateau mit seinen vielen kleinen auf und ab zu bewältigen und sich schließlich an den Abstieg zu machen. Auch Osmo wurde nun langsam müde und musste sich immer wieder einmal ablegen. Aber die Kleine ist ja sowas von zäh. Eine richtige Kämpferin. 

 

Unten am Grimsel waren unsere sechs Beine dann ganz weich und wir belohnten uns mit einer Stärkung in Form von bestem Hundefutter, Cappuccino und Croissant.

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